Unglaublich: Maulkorb für die Räte – Es sollen keine Beschlüsse zu TTIP und CETA gefasst werden!

Bekanntmachung_StGB_NRWDer Städte und Gemeindebund NRW (StGB-NRW) hat folgendes mitgeteilt:

Mitteilungen – Recht und Verfassung

StGB NRW-Mitteilung vom 07.11.2014 – Zuständigkeit des Rates bezüglich der Freihandelsabkommen

Wegen zahlreicher Anfragen bezüglich der Beschlusskompetenz des Rates im Zusammenhang mit der Ablehnung der Freihandelsabkommen TTIP und CETA weist die StGB NRW-Geschäftsstelle darauf hin, dass sich der Rat nach Auffassung der Geschäftsstelle weder mit entsprechenden Anträgen von Fraktionen zur Tagesordnung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 GO noch mit diesbezüglichen Anregungen gemäß § 24 GO inhaltlich befassen kann.

Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 GO ist der Rat für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig, soweit die Gemeindeordnung nichts anderes bestimmt. Anders als der Bundestag oder der Landtag ist der Rat kein Parlament, sondern Teil der Verwaltung. Seine Zuständigkeit ist begrenzt auf alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung. Sie findet dort ihre Grenzen, wo die Zuständigkeit bei einer anderen staatlichen Ebene wie dem Land, dem Bund bzw. der europäischen Union liegt.

Daher hat er auch nicht die Kompetenz, seine politische Auffassung zu bundesrechtlichen bzw. europäischen Angelegenheiten kund zu tun. Das ist vielmehr Angelegenheit der politischen Parteien bzw. der zuständigen staatlichen Ebene. Die Freihandelsabkommen TTIP und CETA werden von der EU-Kommission mit den USA bzw. Kanada verhandelt. Zuständig ist insoweit die EU-Kommission. Auch wenn dieses Abkommen Auswirkungen auf alle Gemeinden haben wird, führt dies jedoch nicht zu einer Befassungskompetenz des Gemeinderates. Der Rat könnte allenfalls dann zuständig werden, wenn eine Bundes- bzw. europarechtliche Angelegenheit für eine bestimmte Stadt im Vergleich zu anderen Kommunen eine besondere Betroffenheit auslösen würde. Dies ist jedoch keinesfalls erkennbar.

Somit hat der Rat keine Befassungskompetenz bezüglich der Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Vorschläge für die Tagesordnung des Rates gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 GO als auch für Anregungen gemäß §24 GO. Da der Bürgermeister kein eigenes materielles Vorprüfungsrecht besitzt, muss er entsprechende Anträge auf die Tagesordnung des Rates setzen. Mangels Befassungskompetenz des Rates hat dieser sodann in der Ratssitzung den Tagesordnungspunkt/ die Anregung von der Tagesordnung abzusetzen.

Az.: I/2 020-08-48


Wie wir schon im Internetartikel “Selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA” beschrieben haben, greifen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA indirekt massiv in die Kompetenzen der Räte und auch in die Gerichtsbarkeit unseres Landes ein. Offensichtlich haben etliche Versuche auf regionaler Ebene, Beschlüsse in den Räten zum Thema einzubringen, einigen Verfechtern von Freihandelsabkommen große Sorgen bereitet. Der Städte und Gemeindebund NRW hat in vorauseilendem Gehorsam bereits auf die zu erwartenden Proteste auf der Ebene der Räte reagiert. Nicht etwa mit Aufklärung, sondern mit einer Anleitung an die Bürgermeister, wie sie solche Themen in den Räten abwürgen sollen/können. Das ist ein unglaublicher Vorgang!

Der Städte und Gemeindebund sollte es den gewählten Ratsmitgliedern überlassen, ob sie sich als Teil der Verwaltung verstehen, oder ob sie sich als Gremium verstehen, welches die Belange der Bürger vor Ort vertritt. Es ist jedoch die Pflicht eines jeden Ratsmitgliedes Schaden von der Stadt abzuhalten.


“Artikel 28 GO, insbesondere Absatz 2, garantiert ausdrücklich die Eigenverantwortlichkeit einer Gemeinde, deren Bevölkerung durch frei gewählte Repräsentanten, den Willen der Bürger im Gemeinderat vertreten. Weil Freihandelsabkommen lediglich Verträge zwischen Regierungen untereinander oder Regierungen und Unternehmen sind, können sie nicht wie Gesetze behandelt werden, die ratifizierte Gesetze und Verfassungsartikel verletzen oder gar außer Kraft setzen. Sobald Freihandelsabkommen in die garantierten Verfassungsrechte der Kommunen eingreifen würden, greift §3, Abs. 3 GO NRW, gegen denn sonst verstoßen würde, da internationale Abkommen keine gültigen Gesetze und Verfassungsrechte aushebeln können oder dürfen.

Auch zur Frage, was der Stadtrat beraten und beschließen darf, ist eigentlich unter §23ff. GO NRW geregelt. Auch wenn dort nur von Vorhaben der Gemeinden selbst die Rede ist, so muss man auch diejenigen von höheren politischen Ebenen beabsichtigten Maßnahmen in weiser Voraussicht behandeln dürfen, die das Subsidiaritätsprinzip verletzen oder das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl der Einwohner beeinträchtigen könnten. Bei der Formulierung der GO NRW konnte man nicht von modernen Freihandelsabkommen des Typus CETA, TTIP und TiSA ausgehen, die existentiell tief in die kommunale Selbstverwaltung greifen würden!

Schließlich ist auch §24 ff. zu beachten, der von Angelegenheiten der Gemeinde spricht. In solche Angelegenheiten drohen die Freihandelsabkommen massiv einzugreifen, wie die kommunalen Spitzenverbände (einschl. Städte- und Gemeindebund) eigens in ihren Stellungnahmen konstatieren. Demnach sind die Gemeinden durchaus verpflichtet zum Thema Freihandelsabkommen Stellung zu beziehen.

Die Rechtsauffassung des Städte- und Gemeindebundes NRW impliziert das Fehlen von Berechtigungskompetenzen der Gemeinderäte und ihrer Ausschüsse. Dagegen entbindet die Exegese Ihres Justitiars Kommunen von ihren verfassungsmäßigen Pflichten, die Bürger vor Schäden zu schützen, sowie von ihren verfassungsmäßigen Subsidiaritätsrechten! Das widerspricht dem Grundgesetz.”


Was lernen wir als Ratsmitglieder einer regionalen Wählervereinigung von solchen Problemen? Der Versuch, uns als Ratsmitglieder zum “Schweigen” oder zur “Untätigkeit” bei bestimmten Themengebieten zu bringen ist die eine Seite.  Sich daran zu halten ist eine ganz andere Sache. Man kann sich über solche Veröffentlichungen des Städte und Gemeindebundes vortrefflich aufregen. Das muss man aber nicht.

Die ABB diskutiert das Thema Freihandelsabkommen intern schon seit etlichen Wochen. Wir haben auch vergeblich versucht, mit den anderen Fraktionen im Bornheimer Stadtrat diesbezüglich ins Gespräch zu kommen (siehe Internetartikel). Spätestens jetzt ist die Zeit gekommen, die Öffentlichkeit ausführlich zu informieren und auch im Rat in der Sache vorstellig zu werden.


Artikel 5 Grundgesetz

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

§ 43 (Fn 34) Gemeindordnung
Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder

(1) Die Ratsmitglieder sind verpflichtet, in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln; sie sind an Aufträge nicht gebunden.


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