Briefwahl: In Bornheim ein Risiko?

Probleme beim Versand der Briefwahlunterlagen zum Bürgerentscheid im November 2016.

Laut beiliegenden Unterlagen ist in Bornheim kein Nachweis möglich, ob und wann die Briefwahlunterlagen an die Post übergeben wurden. War das nur ein Versehen oder fehlt in Bornheim ein Kontrollnachweis bzw. gibt es keine gesetzlichen Vorgaben? Handelt es sich hier “nur” um ein Bornheimer Problem oder möglicherweise um eine generelle Sicherheitslücke im Wahlsystem?

Am 20. November 2016 wurde in der Stadt Bornheim ein Bürgerentscheid durchgeführt. Dabei wurde anhand von Rückmeldungen aus der Bürgerschaft deutlich, dass es Versäumnisse beim Versand der Briefwahlunterlagen gab. Deshalb konnten viele Wähler nicht an der Wahl teilnehmen. Die ABB erhielt etliche Anrufe und E-Mails von betroffenen Wählern (2).

Diesem Problem ist die ABB nachgegangen, hat den Bürgermeister darüber informiert (3) und hat zur Klärung dieser offensichtlichen Pannen eine kleine Anfrage an die Verwaltung gestellt (4). Diese Anfrage wurde von Seiten der Verwaltung nicht beantwortet. Weiterhin wurde die Staatskanzlei NRW und das Innenministerium NRW informiert sowie die Kommunalaufsicht Rhein-Sieg (5) informiert und zur Klärung der Unregelmäßigkeiten beim Postversand der Briefwahlunterlagen eingeschaltet.

Anhand der schriftlichen Unterlagen stellte sich heraus, dass es keine Nachweismöglichkeit dafür gab wann und wieviele Briefwahlunterlagen durch das Wahlamt an die Post übergeben wurden. Wenn so etwas in Bornheim möglich ist, kann es sein, dass im bundesweiten Kontrollsystem für Wahlen eine Sicherheitslücke existiert, die nie hinterfragt wurde und auch deshalb bisher nicht aufgefallen ist.

Erstaunlich ist allerdings das absolute Schweigen aller im Bornheimer Rat vertretenen Parteien. Besonders sie müssten doch ein Interesse daran haben, dass keine Stimme verloren geht. Es ist sehr bedenklich, dass unsere regionale Wählergemeinschaft (ABB) als einzige im Bornheimer Rat diesen Unregelmäßigkeiten nachgegangen ist und als einzige zur Klärung beigetragen hat.

Fakt ist:

  • 206 Briefwahlscheine wurden angeblich nach diversen Rückmeldungen aus der Bürgerschaft für ungültig erklärt und neu ausgestellt weil die Briefwahlunterlagen viele Briefwähler offensichtlich nicht erreicht haben. Dies geschah durch Mitarbeiter der Stadt als Kurrier (8).
  • Es konnte angeblich nicht aufgeklärt werden, warum die Briefwähler die Briefwahlunterlagen nicht erreicht bzw. für einen Rückversand mit der Post zu spät erreicht haben, weil es versäumt wurde ein Postausgangsbuch zu führen (8).
  • Es gibt also zwei Möglichkeiten: 1. Kein Versand durch das Wahlamt oder 2. bei der Post verschwunden. Letzteres ist bei der erheblichen Anzahl nicht zugestellter Briefwahlunterlagen praktisch ausgeschlossen.
  • Von den angeblich 3.017 ausgegeben Briefwahlunterlagen sind am Wahltag jedoch nur 2.440 Briefwahlstimmen eingegangen, davon 38 vor Ort im Wahllokal abgegeben. Folglich fehlen 577 Briefwahlstimmen! Nach dem Wahlgang gingen dann noch 117 Briefwahlstimmen per Post ein, die jedoch nicht gezählt wurden! Es fehlen demnach immer noch 460 Briefwahlstimmen (8).
  • Diesen Fehlbestand erklärt der Bürgermeister wie folgt: “460 Personen, für die Abstimmungsscheine für die Briefwahl ausgestellt wurden, haben diese nicht in den Rücklauf gebracht.” Von fehlender Zustellung bzw. wesentlich verspätetem Eingang beim Briefwähler ist beim Bürgermeister keine Rede. Die Wähler, die keine Briefwahlunterlagen erhalten haben und folglich nicht abstimmen konnten sind also selber schuld, weil sie ja nach der “Logik” des Bürgermeisters die Briefwahlunterlagen “nicht in den Rücklauf gebracht” haben. (8)
  • Wer nun glaubt, dass diese Panne in Bornheim einmalig ist, kann erstaunt folgende Aussage zur Kenntnis nehmen: “Bei der Landtagswahl im Jahr 2012 wurden 361 Stimmen oder 6,91% der ausgegebenen Briefwahlunterlagen nicht abgegeben.” (8) Die Probleme sind also nicht so schlimm, weil sie ja im Trend liegen. Unglaublich!
  • Das diese Missstände vom Bürgermeister überhaupt so detailliert veröffentlicht werden mussten, ist der Tatsache zu verdanken, dass die FDP-Landtagsfraktion nach einer Information der ABB im Landtag mit einer kleinen Anfrage aktiv geworden ist (6). Die Landesregierung hat diese kleine Anfrage auch beantwortet (7). Ohne diese im Rhein-Sieg-Kreis und in Bornheim für Aufsehen erregende kleine Anfrage hätte man in Bornheim diese Missstände stillschweigend ausgesessen.
  • Für uns Wähler ist es erschreckend, wie die Missstände beim Versand der Briefwahlunterlagen regelrecht klein geredet werden und man offensichtlich keinen Anlass zur Beanstandung dieses Bürgerentscheides sieht. Da sind halt 460 Briefwahlstimmen unter den Tisch gefallen und weitere 117 Briefwahlstimmen, weil zu spät im Wahlamt angekommen, nicht ausgewertet wurden. Und was sind die Konsequenzen aus dieser Schlamperei? Wir sehen keine!

Den Bornheimer Wählerinnen und Wählern kann man aktuell nur raten, vertrauen Sie nicht auf die Zuverlässigkeit des Wahlamtes samt dem Postweg zum Wähler und zurück zum Wahlamt. Solange kein vorgeschriebenes Verfahren zur Handhabung der Briefwahlunterlagen mit nachprüfbarer Postverfolgung in Aus- und Eingang seitens des Wahlamtes und kein Vieraugenprinzip vom Posteingang bei der Stadt bis zum Einwurf in die Briefwahlurne gegeben ist, empfehlen wir keine Briefwahl sondern die Teilnahme an der Urnenwahl.

Adelheid Wirtz / Paul Breuer

  1. Belege und weitere Informationen:
  2. Bürger beklagen Nichterhalt von Briefwahlunterlagen
  3. Hinweise der ABB an den Bürgermeister
  4. Kleine Anfragen der ABB wurden nicht beantwortet
  5. Schriftverkehr mit der Kommunalaufsicht (Landrat)
  6. Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag NRW (16/13844)
  7. Antwort der Landesregierung auf die Anfage der FDP-Fraktion (16713978)
  8. Ratsvorlage 044/2017-3

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