2,5% Hürde für Kommunalwahlen vom NRW Verfassungsgerichtshof gestoppt.

Verfassungsgerichtshof in Münster

CDU, SPD und Grüne hatten im vorletzten Landtag beschlossen eine 2,5% Hürde bei Kommunal- und Kreistagswahlen in NRW einzuführen. Seinerzeit hatten die Befürworter dieses Gesetzes eine angebliche Wortmeldungsflut, längere Debatten, sogar eine Unmöglichkeit einer Mehrheitsbildung bei zu “vielen Parteien” ins Feld geführt. Dieses krass undemokratische Verfahren wurde vom Verfassungsgerichtshof in Münster verworfen. Das ist eine gute Nachricht.

In der Pressemeldung des Verfassungsgerichtshofes wird wie folgt argumentiert:

Zitat: ” In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Dr. Ricarda Brandts unter anderem aus:

Der Verfassungsgerichtshof habe die verfassungsunmittelbare 2,5 %-Sperrklausel darauf zu überprüfen, ob sie die in Art. 69 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung (LV) normierten Grenzen der Zulässigkeit von Verfassungsänderungen wahre. Danach seien Änderungen der Verfassung, die den Grundsätzen unter anderem des demokratischen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes widersprechen, unzulässig. Damit nehme die Landesverfassung Bezug auf die sogenannten Homogenitätsvorgaben in Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Grundgesetzes (GG). Zu diesen zwingenden Vorgaben für die Ausgestaltung der verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern gehöre der Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Die Sperrklausel bewirke eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen hinsichtlich ihres Erfolgswertes, da Stimmen für solche Parteien und Wählervereinigungen, die an der 2,5 %-Hürde scheiterten, ohne Einfluss auf die Sitzverteilung blieben.

Für die Wahlen der Gemeinderäte und Kreistage sei diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Insoweit ergäben sich aus Landesverfassung und Grundgesetz (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 LV i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) strenge Anforderungen an differenzierende Regelungen. Diese bedürften stets eines besonderen, sachlich legitimierten, „zwingenden“ Grundes. Dazu gehöre zwar auch die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung. Berufe sich der Gesetzgeber aber zur Rechtfertigung einer Sperrklausel auf eine solche anderenfalls drohende Funktionsunfähigkeit, müsse er für die dann zu erstellende Prognose alle in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht für die Einschätzung der Erforderlichkeit einer Sperrklausel relevanten Gesichtspunkte heranziehen und abwägen. Er dürfe sich nicht mit einer abstrakten, schematischen Beurteilung begnügen. Die Prognose müsse vielmehr nachvollziehbar begründet und auf tatsächliche Entwicklungen gerichtet sein, deren Eintritt der Gesetzgeber ohne die in Rede stehende Wahlrechtsbestimmung konkret erwartet. Eine durch das vermehrte Aufkommen kleiner Parteien und Wählervereinigungen bedingte bloße Erschwerung der Meinungsbildung dürfe er nicht mit einer Funktionsstörung oder Funktionsunfähigkeit gleichsetzen.

Diese bereits früher von der Verfassungsrechtsprechung in Bezug auf einfachgesetzliche Sperrklauseln formulierten Anforderungen würden auch für eine unmittelbar in der Landesverfassung geregelte Sperrklausel gelten. Ein spezifischer Spielraum des landesverfassungsändernden Gesetzgebers für Differenzierungen innerhalb der Wahlrechtsgleichheit bestehe nicht.

Dass die 2,5 %-Sperrklausel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinderäte und Kreistage erforderlich ist, sei weder im Gesetzgebungsverfahren noch im Rahmen der Organstreitverfahren in der gebotenen Weise deutlich gemacht worden. Die gesetzgeberische Prognose sei weder in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig noch sei ihre Begründung in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Die Gesetzesbegründung erschöpfe sich im Wesentlichen in abstrakten, schematischen Erwägungen zu möglichen negativen Folgen einer Zersplitterung der Kommunalvertretungen. Dass es nach Wegfall der früheren 5 %-Sperrklausel durch eine gestiegene Zahl von Kleingruppen und Einzelmandatsträgern zu relevanten Funktionsstörungen von Gemeinderäten und Kreistagen oder zumindest zu Entwicklungen gekommen wäre, die Funktionsstörungen möglicherweise zur Folge haben könnten, werde zwar behauptet, nicht aber in nachvollziehbarer Weise anhand konkreter empirischer Befunde belegt.

Wir erinnern uns hier auch noch an einen Beitrag eines gewissen Wolfgang Henselers, Bürgermeister aus Bornheim, der folgendes im General-Anzeiger veröffentlichen lies:

Zitat: „Mich erinnert das manchmal ans Ende der Weimarer Republik, wenn wir uns verzetteln“, sagt Bürgermeister Wolfgang Henseler. Den Bornheimer Rat bilden sechs Fraktionen (CDU, SPD, Grüne, UWG/Forum, FDP, Die Linke) und drei Einzelratsmitglieder (Aktive Bürger Bornheim, Piraten, fraktionslos). „Es macht Sinn, bestimmte Hürden aufzubauen zugunsten der Gesamtarbeit im Rat“, meint Henseler. „Wenn die Kleinen immer das Zünglein an der Waage sind, wenn eine Stimme eines Einzelratsmitglieds den Ausschlag gibt, dann halte ich das für die Demokratie nicht für glücklich“, sagt der Sozialdemokrat. Er habe nichts dagegen, wenn sich drei Fraktionen für eine Mehrheit zusammentun müssten, seien es aber immer vier oder fünf, gestalte das die Arbeit schon schwierig.”

Es ist sicherlich jedem einzelnen überlassen eine solch dreist undemokratische Äußerung angemessen zu bewerten. Bemerkenswert ist auch die Äußerung zur Weimarer Republik. Wir wussten bisher nicht, dass er zu diesem Zeitpunkt schon gelebt hat und er sich folglich an die damaligen Zustände “erinnern” kann. Für uns von der ABB ist eine solche Äußerung ein sicheres Zeichen von Überheblichkeit und eines abhanden gekommenen Demokratieverständnisses.

Auf mündliche  Anfrage des General-Anzeigers zur 2,5% Hürde haben wir seinerzeit geantwortet:

Zitat: “Für die ABB bewertet Paul Breuer die Sperrklausel ebenfalls als „undemokratisch“: „Es ist ein erbärmliches Zeichen, dass CDU, SPD und Grüne es nötig haben, sich so Luft zu verschaffen“, meint er. Für die nächsten Wahlen mache er sich für die ABB aber „überhaupt keine Sorgen.“

“Superdemokraten” wie z. B. unser Herr Bürgermeister Henseler werden sich zukünftig wohl damit anfinden müssen, dass Bürger, die von den etablierten Parteien enttäuscht wurden, vermehrt in kleinen Parteien und örtlichen Wählervereinigungen aktiv werden, aktiv bleiben und durch dieses Urteil ermutigt ihre Arbeit fortsetzen können.

Ob sich unser Herr  Bürgermeister mit diesem Grundsatzurteil zufrieden geben wird bleibt abzuwarten, denn nach dem “Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung” kann eine Ratsmehrheit die Anzahl der Ratssitze reduzieren und damit indirekt eine Hürde für kleine Parteien oder regionale Wählervereinigungen einrichten. Man begründet so etwas in der Regel mit Kosteneinsparungen.

  1. Weitere Informationen:
  2. Pressemitteilung der ABB: Gericht stoppt 2,5% Hürde (22.11.2017)
  3. Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofes NRW zur 2,5% Hürde
  4. ABB: NRW: SPD und Grüne wollen 3% Sperrklausel bei Kommunalwahlen einführen!
  5. ABB: Braucht Bornheim die kleinen Parteien? (Online Meinungsumfrage)
  6. General-Anzeiger: Henseler Zitat zur 2,5% Hürde
  7. Pressemitteilung der ABB: Gericht stoppt 2,5% Hürde (22.11.2017)
  8. SPD und die 2,5% Hürde – Verfassungsgericht kippt die 2,5% Hürde  <—- !!
  9. Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in NRW

Die Stadt Bornheim plant die Anzahl der Ratssitze zu reduzieren. Dies bedeutet ebenfalls eine Hürde für kleine Parteien und regionale Wählervereinigungen.

Brauchen wir die kleinen Parteien und Wählervereinigungen in den Stadträten?
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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Georg Meier

    Das Urteil des NRW Verfassungsgerichthofes kann man nur begrüßen. So kann man jetzt weiterhin den undemokratischen und bürgerunfreundlichen Strukturen einiger Kommunen etwas entgegen wirken.

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